1799 treffen sich in Paisley sechs Männer und eine Frau, um über die Zukunft des Brennereiwesens zu diskutieren. Zwanzig Jahre später gehören drei von ihnen zu den mächtigsten Whiskyproduzenten des Landes. Teil II meiner Reise zu den Wurzeln der Macht.
Paisley 1820 |
2.The House of Brown, Gourlay and Company.
Eine der frühen lizensierten Brennereien in Schottland ist die Portnauld Distillery, die sich nicht allzu weit entfernt von Paisley, in der Nähe von Renfrew und der Yoker Distillery, befindet. Gegründet hat sie ein gewisser John Fairly, der jedoch 1774 erst einmal untertauchen muss. Denn John hat einen Steuerbeamten auf das übelste verprügelt und ihm ein Bein gebrochen. John wird verhaftet, doch es gelingt ihm, aus dem Gefängnis in Glasgow auszubrechen. 1776 ist er noch immer auf der Flucht, und die Steuerbehörde setzt ein Kopfgeld auf ihn aus.
Ob John Fairly seine Strafe doch noch bekam, ist nicht überliefert, aber 1788 gehört die Portnauld-Brennerei einem anderen Mann: Matthew Brown. Die lizenzierte schottische Whisky-Industrie steckt damals noch in der Aufbauphase, und in jenem Jahr beschließen die Lowland Distiller, einen gemeinsamen Interessensvertreter in London zu engagieren. Auch Matthew Brown, Distiller in Portnauld, hat an diesem Treffen teilgenommen.
In der Folgezeit hat Matthew immer wieder in den verschiedenen Dokumenten seiner Zeit Spuren hinterlassen - sogar mehr, als uns lieb sein kann. Denn Matthew Brown kommt 1791 gleich zweifach vor: Wir finden ihn nicht nur als Steuerzahler für ein zweirädriges Gefährt in der Portnauld Distillery, sondern auch in der Abbey Parish, dem Außenbezirk von Paisley. Und als ob das noch nicht reichen würde, gibt es dort auch einen Brauereibesitzer gleichen Namens. Vielleicht sind sie aber auch alle drei ein und der gleiche.
Außerdem hat Matthew Brown, Distiller in Paisley, Abbey Parish, noch ein schönes Pferd, für das er ebenfalls Steuern zahlt. Als 1797 Thomas Potts in Paisley nach einem aufsehenerregenden Prozess öffentlich hingerichtet wird, gehört Matthew zu den 31 berittenen Männern, die die Prozession zum Galgenbaum begleiten. Ganz freiwillig war dieser Begleitservice nicht, die Männer wurden von der Stadtverwaltung dazu vergattert.
Im gleichen Jahr finden wir endlich die Firma Brown, Gourlay and Company in den Unterlagen der Steuerbeamten - und zwar innerhalb des Stadtbezirks.
1798 |
Als im Juli 1797 die Steuer erhöht wird, reagiert die Firma unverzüglich und beginnt, mit Kühlspiralen aus Aluminium für die Low Wine Stills zu experimentieren. Mit den Ergebnissen ist man durchaus zufrieden, und kann nach Aussage von James Walkinshaw keinen Unterschied zu Kupferspiralen feststellen. Auch in anderen Bereichen ist die Firma sehr experimentell: Bezüglich der Zeitdauer für einen Brennvorgang hat man ein sehr "fortschrittliches System" entwickelt - was immer das heißen mag.
Abbey Parish |
Brown, Gourlay and Company befindet sich 1799 eindeutig auf Erfolgskurs. Eine Vielzahl von kleinen Farmbrennereien, die alle mit kleinen Brennblasen und nach traditioneller Methode arbeiten, wären für Brown nur eine unliebsame Konkurrenz und würden das Geschäft stören. Er und Elizabeth sind auf diesem Treffen bestimmt nicht die besten Freunde gewesen.
Matthew Brown ist auf Wachstum aus, und dazu braucht er große Brennblasen, die er in schnellem Wechsel wiederbeladen kann. Doch im Juli 1799 gibt es eine böse Überraschung für die Firma: als Maßnahme gegen die sogenannte "rapid distillation", also das schnelle Wiederbeladen der Brennblasen, führt die Regerung eine zusätzliche Abgabe von 2s. 6d. für jede Gallone Überausbeute ein.
Ein Jahr später folgt die große Ernüchterung. Ab November 1800 beträgt die Lizenzgebühr £108. Hinzu kommen 6d. für jede produzierte Gallone und zusätzlich noch 3s. pro Gallone Überausbeute. Als dann auch noch wegen Getreidemangel ein Brennverbot für Spirituosen aus Getreide verhängt wird, ist die Schmerzgrenze erreicht. Matthew Brown verläßt die Brennerei in Portnauld.
1808 wird erneut ein Brennverbot für Spirituosen aus Getreide verhängt und mehrmals verlängert. Für die Regierung sind diese Brennverbote ein riskantes Unterfangen. Denn die Steuereinnahmen aus den Brennereien sind ein wichtiger Posten im Staatshaushalt. Um die Branche nicht in den Ruin zu treiben, erteilt die Regierung als Ersatz Lizenzen zum Zuckerbrennen.
Der Seehandel zwischen Glasgow und den Zuckerinseln in der Karibik hatte bereits um 1732 begonnen. 1775 wurden etwa 4.000 Tonnen Zucker über den Clyde nach Greenock verschifft. Auch die schottischen Händler hatten ihren Anteil am kolonialen Sklavenhandel. 1788 und 1792 reichte der Stadtrat von Paisley jeweils einen Antrag beim britischen Parlament ein, in dem man die Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien forderte. Der Zucker war dennoch sehr begehrt.
Und so kommt es, dass wir Matthew Brown 1810 in Saucel beim Destillieren von Zucker wieder finden. Matthew hat jetzt ein gravierendes Problem: die Zuckerlizenz endet am 31. Dezember. Doch in den Wash-Backs befindet sich an diesem Tag noch Zuckermaische, die ordentlich versteuert wurde, aber erst nach dem Jahreswechsel gebrannt werden kann. Matthew braucht dazu eine Sondergenehmigung. Auch John Stein of Kennetpans, John Philps, Daniel Macfarlane, John Buchanan, Robert Menzies, William Glen, John Bald und andere Lowland Brenner sind davon betroffen.
Wenige Tage später erweisen sich die Sorgen der Zucker-Brenner als unbegründet, die Regierung verlängert das Brennverbot für Getreide um ein weiteres Jahr. Es sollte bis 1814 dauern, ehe die schottischen Destillateure wieder Gerste benutzen durften.
Zuckermühle |
Für Brown, Gourlay and Company bedeuten diese Einschränkungen nicht das Ende, aber sie setzen die Firma unter Druck. Denn Zucker ist kein heimisches Produkt, er muss von weither importiert werden. Dazu benötigt man gute Handelsbeziehungen in die Kolonien des Landes. Oder zumindest bis nach Greenock, wo sich die Zucker-Häuser befanden. Zusätzliche Transportkosten sind unerwünschte Nebenerscheinungen, die negative Folgen für die Preisgestaltung haben. Paisley bietet jetzt nicht mehr die idealen Standortfaktoren wie 15 Jahre zuvor, der White Cart ist nur für Schiffe mit einer geringen Tonnage befahrbar. Die Brennereien am Clyde haben eindeutig einen Vorteil.
Hilfestellung bekommt Matthew Brown zunächst von einer ganz unerwarteten Seite: aus Frankreich. Von 1806 bis 1813 verhängt Napoleon die sogenannte Kontinentalsperre gegen Großbritannien, und als Folge gelangen in dieser Zeit keine französischen oder holländischen Spirituosen mehr auf offiziellem Weg auf die britischen Inseln. Die schottischen Zucker-Destilateure können von der Situation profitieren, sie sind quasi konkurrenzfrei und ihr Geschäft blüht.
Greenock, "Zuckerhäuser" |
1813 bietet sich der Firma endlich die Möglichkeit, an einen günstigeren Standort zu wechseln. John Gourlay, der Geschäftspartner von Matthew Brown, kann am Kanal von Glasgow Land erwerben. Er kauft das Anwesen Cowlairs einschließlich Pinkton House und darf sich, als Zeichen seines sozialen Aufstiegs, von jetzt an John Gourlay of Cowlairs nennen. Die Firma Brown, Gourlay und Company verläßt 1813 ihren alten Standort in Paisley, und zieht nach Port Dundas, nördlich von Glasgow. Dort errichten sie eine neue Brennerei: Gourlay's oder auch Cowlairs Distillery.
Über kleine Brennblasen kann Matthew jetzt nur noch lachen: die Wash Still der neuen Cowlairs Distillery faßt 1821 2.000 Gallonen, die Low Wine Still 1.176 Gallonen. Doch bevor wir uns nach Port Dundas aufmachen, um das weitere Schicksal der Gourlayschen Brennerei zu beleuchten, wollen wir erst noch einen Blick auf die übrigen Männer dieser illustren Runde 1799 in Paisley werfen.
3. Robert Menzies
1799 liegt Robert Menzies mit 12.128 Gallonen auf Rang vier der Brenner in Paisley, unmittelbar hinter Elizabeth Harvie. Doch anders als diese ist Menzies auch 1810 noch im Geschäft. Er gehört, ebenso wie Mathew Brown, in den Jahren des Getreideverbots zu den Zucker-Brennern.
Kolonialherrlichkeit |
Über den Standort seiner damaligen Brennerei habe ich keinerlei Hinweise finden können, doch Menzies ist offensichtlich mit der Lage wenig zufrieden. 1813 ergibt sich jedoch für ihn eine günstige Möglichkeit zum Wechsel. Die Saucel Distillery wird frei. Als Brown Gourlay aus Saucel auszieht, zieht Menzies ein und rüstet auf. Er errichtet üppige Getreide-Silos und eine Mälzerei, in der er sein komplettes Malz selbst herstellen kann. Nach den langen Jahren als Zucker-Brennerei wird in Saucel endlich wieder guter Malz-Whisky hergestellt.
1817 ist Menzies dick im Geschäft. Das Brennen mit Getreide ist seit vier Jahren wieder erlaubt, und Menzies brennt in diesem Jahr 70.389 Gallonen Schnaps. Damit hat er sogar Brown Gourlay überholt, die es im gleichen Zeitraum in Port Dundas nur auf 53.562 Gallonen bringen.
Doch Menzies hat sich übernommen. 1819 wird das Steuergesetz noch einmal reformiert. Anstelle einer Lizenz-Gebühr muss jetzt eine Mengen-Steuer errichtet werden: Pro Gallone Wash werden "seven pence half-penny" fällig, dazu kommen "eight-pence half-penny" für den Freinbrand, bei sieben Prozent Over Proof. Diese kombinierte Steuer bedeutet eine Mindeststeuer von 8s pro Gallone, die sofort fällig wird.
Viele Kunden machen die daraus resultierende Preissteigerung nicht mehr mit, der Absatz bricht ein. Im Mai ist Robert Menzies pleite. Sohn John segelt im Herbst nach Demarara, dem heutigen British-Guyana. Die Menzies haben scheinbar noch immer gute Verbindungen zur dortigen Zucker-Industrie.
Saucel Distillery: erst Brown Gourlay, dann Menzies, am Ende Stewart. Doch die Anzeige verrät nur die Hälfte der Geschichte. |
Vater Robert vermietet unterdessen die Saucel-Brennerei an seinen Schwager James Stewart, der auch einer seiner Gläubiger ist. Zusätzlich verkauft er ihm auch die Ausstattung der Brennerei. Doch so sehr sich Robert Menzies bemüht, seinen Besitz flüssig zu machen - es reicht bei weitem nicht aus, seinen horrenden Schuldenberg abzubauen. 1820 geht er in die Sequestration. Schwager James Stewart vermietet darauf hin die Brennerei an Menzies ältesten Sohn James.
James Menzies brennt 1821 immerhin wieder 10.202 Gallonen Schnaps. Das ist deutlich weniger als noch zwei Jahre zuvor, die Brennerei ist bei weitem nicht ausgelastet. Wir kennen auch die Größe der Brennblasen in diesem Jahr: die Wash Still fasst 551, die Low Wine Still 357 Gallonen. Die Brennerei gehört mittlerweile zu den größten des Landes.
Nach nur zwei Jahren ist auch James finanziell am Ende. Sein Onkel Stewart, dem die Brennerei offiziell gehört, braucht jetzt dringend einen Nachmieter, doch es scheint sich niemand zu finden.
Schließlich übernimmt Stewart selbst die Saucel-Brennerei - zusammen mit seinen Neffen James und Robert Menzies junior. Robert Menzies senior arbeitet unterdessen als Brauer in Saucel und gründet nach der Entschuldung eine Firma als Spirituosenhändler.
1823 wird das Steuerwesen erneut reformiert, und jetzt kommen die Geschäfte wieder ordentlich in Gang. Die nächsten Jahre sieht es gut aus für die Familie, und 1831 werden in Saucel 220.000 Gallonen Malt-Spirits gebrannt. Die Getreideproduktion der Region reicht bei weitem nicht aus, um den Bedarf der Brennerei zu decken. Selbst aus Riga wird jetzt die Gerste importiert.
1838 finden wir "Menzies, Robert, jun., of Stewart Menzies" im Stadtteil Maxwellton wieder, wo er im Haus Nr. 15 zusammen mit seinem Vater residiert. Auch Bruder James ist 1838 noch immer Teilhaber der Firma, er wohnt in New Smith Hills No. 28. Nur wenige Häuser weiter, in der Smith Hills Nr. 6, befindet sich jetzt einer der Verkaufsräume, ein "Spirit Cellars" der Brennerei. Dort ist auch die Hauptgeschäftsstelle der Firma untergebracht. Weitere "Spirit Cellars" befinden sich in der Brennerei direkt, in Broomlands 75 und in der Abbey Close 11 sowie in der Abbey Street 4.
Robert Menzies senior konnte sich seinen Traum vom großen Whisky-Geld nicht erfüllen, er ist in Saucel rasant aufgestiegen und böse gestürzt. Doch schlecht geht es ihm in späteren Jahren nicht, und die Saucel Distillery blieb in Familienbesitz. Ihre großen Zeiten sollen schon bald beginnen.
Saucel 1838 |
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