Die Pittentian Distillery befand sich nur wenige Kilometer vom
Zentrum von Crieff entfernt und war eine kleine Farmbrennerei. Ihren
Besitzern ging bereits bei der ersten Krise 1819 der Atem aus. Doch das
Brennerei-Gebäude ist noch immer erhalten, und heute können sich die
Touristen an der ländlichen Schönheit dieser alten Farm erfreuen. Die
ehemalige Brennerei wurde vor wenigen Jahren zum luxuriösen Ferienhaus
umgebaut.
Einst eine Brennerei, heute ein Ferienhaus: Pittentian Distillery |
Die Spuren, die die Pittentian Distillery - oder auch Pitentean Distillery - in offiziellen Dokumenten hinterlassen hat, sind zwar gering, aber interessant, und sie tragen mit dazu bei, dass wir uns ein umfassendes Bild über die Entwicklung der Whisky-Brennerei im frühen 19. Jahrhundert in Perthshire machen können. Schauen wir uns die Brennerei also etwas genauer an.
In der bereits an anderer Stelle zitierten "History of Crieff" von Porteous (1912) findet sich der Hinweis, dass sich Pittentian in der Umgebung von Crieff befunden hat. Bei einem Blick in alte Karten finden wir den Ort in unmittelbarer Nähe zur Stadt. Pittentian war eine stattliche Farm-Anlage, die etwa 150 bis 200 schottische Acres umfasste - die Quellen sind sich in diesem Punkt nicht ganz einig.
1805 wird die Farm von James Moray, Esquire of Abercairney, gekauft. Als ein Jahr später die Pacht erneuert wird, erhalten David Nelson oder auch Neilson und dessen Sohn James als neue Pächter den Zuschlag. Für Landbesitzer James Moray ist der Zeitpunkt des Pachtwechsels ein wichtiges Datum; nun gilt es, neue Verträge auszuhandeln und Sorge zu tragen, dass die Produktivität der Farm erhöht wird. Denn die Höhe der Pacht richtet in der damaligen Zeit nach der Höhe der zu erwartenden Erträge.
Auch für den Farmer David Neilson macht die Errichtung einer Brennerei Sinn, denn er hat noch einen zweiten Sohn, Peter, und mit ihm zusammen gründet er die Brennerei, die vermutlich in den Jahren zwischen 1806 und 1812 auf der Farm errichtet wurde. Zur Finanzierung standen David dabei zwei Modelle zur Verfügung: entweder stellt der Landbesitzer die nötigen Gebäude bereit, und der Pächter übernimmt die Ausstattung der Anlage mit den nötigen Geräten und Maschinen, oder der Pächter finanziert beides, und bleibt dafür im Gegenzug eine bestimmte Anzahl von Jahren pachtfrei. Leider sind keine Unterlagen überliefert, die uns Rückschlüsse darauf erlauben, welches Modell David und Sohn Peter in Absprache mit James Moray gewählt haben. Doch in jedem Fall haben die Männer einiges an Kapital in die Hand nehmen müssen, und vielleicht auch einen Kredit aufgenommen, und für beide Parteien war ein wirtschaftlicher Erfolg sehr von Nöten.
David und seine Söhne waren gewiß keine Anfänger. Crieff lag in der damaligen Zeit sehr nahe an den anders besteuerten Gebieten der Lowlands, wo sich mit Städten wie Perth, Glasgow, Dundee und Edinburgh auch große wirtschaftliche Zentren befanden. Von Crieff aus hatten die Schwarzbrenner und Schmuggler besonders kurze Wege, und wir können getrost davon ausgehen, dass sich in Crieff in jenen Jahren in jedem Haus ein Schwarzbrenner befand.
Wann und wie die Kunst des Whisky-Brennens nach Crieff kam, werden wir wohl nicht herausfinden können. Doch bereits einhundert Jahre vor der Errichtung der Pittentian Distillery finden sich Hinweise, dass Schnaps zu den alltäglichen Nahrungsvorräten gehörte. Als im Januar 1716 im bittersten Winter die Orte Ochterarder, Blackford, Muthill und Crieff von Rebellen auf Befehl ihres Anführers Ranald abgebrannt werden, plündern die Rebellen die Häuser und finden auch "plenty of meat, drink and other liquors...". Der Alkohol wird die Zerstörungswut der Rebellen noch weiter angestachelt haben.
Einhundert Jahre später herrschen in Crieff Friede und Ordnung, die langen Jahre der Plünderungen und politischen Instabilität gehören der Vergangenheit an, und es macht sich allmählich ein gewisser Wohlstand breit. Die Keller und Vorratsräume der Menschen in Perthshire sind wieder gut gefüllt - auch mit Getreidebrand.
Kriege werden in zwischen woanders geführt, vor allem zwischen England und Frankreich. Nachdem Napoleon 1806 eine Wirtschaftsblockade, die sogenannte Kontinentalsperre, gegen England verhängt, werden in den folgenden Jahren Spirituosen aus Frankreich und Holland knapp. Der Schmuggel blüht, und die einheimischen Destillate erfahren eine steigende Nachfrage. Eine Brennerei zu gründen macht in dieser Zeit durchaus Sinn.
Erste steuerliche Erleichterungen boten einen zusätzlichen Anreiz für so manchen Schwarzbrenner, es wieder auf die ehrliche Art und Weise versuchen zu wollen. Auch David und seine Söhne wagten das Risiko.
Die Brennerei war vermutlich in den ersten Jahren recht erfolgreich, doch die Wirtschaftsflaute nach Kriegsende 1815 machte ihrer kleinen Farm zu schaffen, und die weitere Entwicklung deutet darauf hin, dass die Kapitaldecke der Neilsons nur sehr dünn war. In der Saison 1816/1817 ist die Brennerei nachweislich stillgelegt. Alte Gerichtsunterlagen belegen, dass die Familie in finanziellen Schwierigkeiten steckt.
Am 16. Mai 1818 braucht eines der Pferde neue Hufeisen, und James bringt das Tier zu William Roy, Hufschmied in Crieff. Durch einen unglücklichen Zufall erfährt der Notar John Gowans davon. James hat inzwischen hohe Schulden, und Gowans vertritt zwei seiner Gläubiger, die Farmer Hugh und John Smith aus Wester-Dalpatrick. Gowans macht kurzen Prozess. Er lässt sofort den Hengst beschlagnahmen und droht Roy mit gerichtlichen Konsequenzen, wenn er den Hengst herausgibt. Roy bringt das Tier darauf hin im Stall von Mrs Allen unter.
Für James ist die Beschlagnahmung seines Pferdes mitten in der Arbeitssaison eine Katastrophe. Doch er hat Glück im Unglück: das Pferd gehört offiziell seinem Bruder Peter, und James legt sofort Rechtsmittel gegen die Beschlagnahmung ein. Es dauert über fünf Wochen, ehe die Brüder das Pferd am 26. Juni zurück bekommen, für den Verdienstausfall werden ihnen 50 Pfund zugesprochen. Doch von dem Geld, das die Brüder so dringend benötigen würden, sehen sie vorläufig nichts - Gowans geht in die Berufung. Wer sich für Rechtsprechung interessiert, kann den Fall hier nachlesen.
James hat inzwischen seine Schulden beglichen, und möglicherweise gleichzeitig neue gemacht. Der Verdienstausfall im Sommer durch die Beschlagnahmung des Hengstes hat ein weiteres Loch in die Kasse gerissen. Dennoch werden 1818 in Pittentian wieder 2.307 Gallonen Spirits produziert. Ein Jahr später steht die Familie endgültig mit dem Rücken an der Wand: David und Peter Nelson, oder auch Neilson, gingen in die Insolvenz und ihr Betrieb wurde, wie damals üblich, am 3. Juli 1819 beschlagnahmt. Das gesamte Anwesen wird sequestriert und dann einem Treuhänder, James Arnot, unterstellt.
1820 müssen sie die Pacht aufgeben, am 29. September wird ihre Ernte und ihr gesamter Viehbestand öffentlich versteigert. Auch die Brennerei wird aufgelöst. Pittentian wird zunächst an John Kerr, und später an William Reid verpachtet, dessen Familie die Farm in den folgenden Jahrzehnten zu ihrer Heimat macht.
Pittentian Farm |
Die Geschichte der Pittentian Distillery war nach wenigen Jahren bereits zu Ende. Nach einem hoffnungsvollen Aufschwung folgte schnell die Depression. Die Jahre 1819 und 1820 scheinen keine guten Jahre für die Whisky-Brenner von Crieff gewesen zu sein. Wie wir bereits gesehen haben, waren neben Pittentian auch Balnakittoch und Coldmills in diesem Zeitraum vom Konkurs betroffen. Und es sollte nicht bei diesen drei bleiben.
1823 hat die Regierung endlich die Notbremse gezogen und das Steuersystem (wieder einmal) novelliert. Denn von geschlossenen Brennereien sind keine Steuern zu erwarten. Für David, Peter und James Neilson kamen die Reformen zu spät. Ihr Traum vom glücklichen Leben war schon nach wenigen Jahren vorbei.
Doch die Spuren ihres einstigen Wirkens sind nicht gänzlich verschwunden, denn Pittentian gibt es noch immer.
Heute lädt dieser Ort die Urlauber ein: vor einigen Jahren wurde die alte Scheune von Pittentian zu einem großzügigen Ferien-Haus umgebaut. In diesen Gemäuern soll sich die Brennerei von Pittentian einstmals befunden haben, wie die Webseite verspricht. Aber trifft das auch die Wahrheit? Oder fand die eigentliche Produktion am anderen Ende des Grundstücks statt, in jenem kleinen, unscheinbaren Wirtschaftsgebäude, das dicht an den Bach heranreicht? Denn Wasser war, wie wir wissen, unerläßlich.
Wer mehr wissen will, wird wohl Pittentian einen Besuch abstatten müssen. Dass in Pittentian Gin produziert wurde, wie die Website behauptet, bezweifle ich allerdings stark. Pittentian war eine Distillery "for home consumption".
Dicht ans Wasser gebaut: Alter Wirtschaftstrakt der Pittentian Farm |
Nach diesem kurzen Ausflug ins unmittelbare Umland wollen wir wieder in die Stadt zurückkehren, und uns die dritte Brennerei in der Innenstadt anschauen: Meadows Distillery, die wahrscheinlich älteste Brennerei der Stadt....
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