Innerhalb weniger Jahre hat die schottische Edrington Group den
Single Malt von The Macallan mit spektakulären Marketing-Kampagnen zu
einer Luxus-Marke ausgebaut, die vor allem auf den asiatischen und
nordamerikanischen Märkten großartige Erfolge feiert. Gleichzeitig hat sich der Konzern von einer kleinen, familiengeführten Firma zu einem selbstbewußten, mächtigen Global Player entwickelt. Die Fans in Deutschland sehen die Entwicklung eher mit Sorge. Wie soll es weitergehen mit der Vorzeige-Brennerei in der schottischen Speyside? |
"ice-ball maker" Foto: MargareteMarie |
2011 war ein weiteres Schlüsseljahr für Macallan. Zum ersten Mal brachte man einen Whisky ohne Altersangabe auf den Markt: "Director's Edition". Design und Farbe waren fantastisch, doch der Geschmack blieb weit hinter den geweckten Erwartungen zurück. Die Abfüllung floppte und wurde stillschweigend eingestellt. Noch heute kann man günstig Exemplare der "Director's Edition" finden.
Doch Macallan hat aus dem Fehler gelernt. Als zwei Jahre später die neue 1824-Farb-Serie erscheint, sind Farbe und Aroma optimal aufeinander abgestimmt. "Wenn du fällst, dann sorge dafür, dass du nach vorne fällst", hat Marketing-Direktor Ben Farrar einmal auf einer Konferenz gesagt. Ben Farrar weiß, wie man nach vorne fällt.
Und noch etwas hat man bei Macallan gelernt: die Menschen sind nicht alle gleich. Während in Europa die neue 1824-Serie die alten Abfüllungen der Fine Oak- und Sherry Oak-Serie ersetzt, bleiben in Asien und den USA letztere weiterhin erhältlich. Vor allem in Asien hat man für Whiskys ohne Altersangabe nur wenig übrig.
Für Marketing-Fachmann Geoff Kirk ist der asiatische Markt jedoch zukunftsweisend, wie er in einem online-Interview verrät: "Vor allem im Premium- und Single-Malt-Bereich sehen wir derzeit eine Veränderung, weg vom geschäfts-orientierten Trinken hin zum gesellschaftlichen Trinken. Das ist eine der subtilen Veränderungen in der Industrie."
Kirk ist Asien-Spezialist und Managing Director der 2013 neu gegründeten Firma Edrington Singapore, und es gehört zu seinen Aufgaben, diese subtilen Gesetzmäßigkeiten und Veränderungen des Asiatischen Marktes zu erkennen.
Bei Edrington ist Kirk bereits seit 2004. Damals hatte man in der Führungsetage den Umbau von The Macallan zur Luxus-Marke beschlossen. Bereits ein Jahr zuvor hatte man in Shanghai als erste schottische Brennerei ein Asien-Büro eröffnet. Der asiatische Markt war ein wichtiger Baustein in diesem Umstrukturierungs-Prozess, und Kirk war der richtige Mann dafür.
Auch andere globale Ziele wurden in den folgenden Jahren bei Edrington akribisch unter die Lupe genommen und getestet, 2011-2012 wurden in New York, Hongkong und Johannisburg regionale Büros eingerichtet.
2013 folgte schließlich der nächste Meilenstein auf dem ehrgeizigen Weg nach oben: Edrington dehnt sein internationales Vertriebsnetz aus und etabliert zu diesem Zweck in mehreren Kontinenten eigene, untergeordnete Distributions-Firmen:
- Edrington Singapore wird die Märkte in Singapur, Malaysia, Vietnam, Indonesien, Thailand, den Philipinen, Kambodscha und Laos betreuen.
- Edrington FIX ist ein Joint-Venure Unternehmen und für den Vertrieb der Marken von Edrington in Nahost, den Golf-Staaten und Nord-Afrika zuständig.
- Edrington USA wird sich um den Vertrieb der Marke in den USA kümmern und richtet Büros in New York, Chicago, Dallas, Miami und Los Angeles ein.
Im gleichen Jahr, als Edrington sein Vertriebsnetz in Asien, Amerika und Afrika massiv erweitert, wird in Europa die 1824-Serie Gold, Amber, Sienna und Ruby eingeführt. Die "subtilen Veränderungen" des Marktes finden nicht nur im fernen Osten statt. Auch bei uns achtet Macallan auf die Zeichen der Zeit.
Masters of Photography
Nirgendwo lässt sich die facettenreiche Entwicklung von Macallan besser ablesen als an der Serie der "Masters of Photography", bei der berühmte Fotografen besondere Etiketten für die Abfüllung von alten Whiskys kreieren.
Den Anfang macht 2010 der Glasgower Modefotograf Rankin, der mit 1.000 Polaroid-Fotos die Brennerei in künstlerische Spären hebt und seiner Frau Tuuli Shipster dabei ein Denkmal setzt. Auf etwa 600 Fotos ist auch Tuuli zu sehen. Noch nie war eine Brennerei so sexy.
2011 rückt der schottische Fotograf Albert Watson die spanischen Wälder und die Sherry-Bodegas ins Zentrum seiner Bilder. Es sind die Sherry-Fässer, die die Grundlage für den Erfolg alter Macallan legen.
2012 folgt mit Foto-Legende Annie Leibovitz der Sprung nach New York. Und ja - auch Frauen trinken Macallan.
Ein Jahr später erinnert der franko-amerikanische Fotograf Elliot Ewitt mit seiner schottischen Bilderserie an den Robertson Trust, dessen Arbeit den Menschen in Schottland gewidmet ist. Ewitt gilt als einer der einflussreichsten Fotografen unserer Zeit.
58 der insgesamt 158 veröffentlichten Fotos wurden besonders gestalteten Single-Cask-Abfüllungen beigefügt, mit einer Auflage von jeweils 35 Flaschen pro Fass. Macallan wird zum elitären Träger von Schottischer Zeitgeschichte. Die Vermarktung erfolgt über die neu gegründeten Distributionsfirmen. An Deutschland laufen auch diese Flaschen vorbei.
Anfang 2015 fotografiert Mario Testino Macallan in einem ganz anderen Licht: er zeigt die moderne, kosmopolitische Party-Szene in Fern-Ost.
Damit ist man bei Edrington endgültig in der Riege der Global Player angekommen. Aus dem kleinen, mittelständischen Unternehmen, das 1961 von den Robertson-Schwestern im schottischen Glasgow gegründet wurde, ist ein multi-nationaler Konzern geworden, der weltweit agiert.
Während die meisten der schottische Brennereien längst im Besitz ausländischer Konzerne sind, hat The Macallan allen Übernahmeversuchen trotzen können und gehört als Teil der privat geführten Edrington Group nach wie vor den Schotten.
Es war Sir Ian Good, der vor 36 Jahren durch einen engagierten Appell die schottische Kartell-Kommission (Monopolies and Mergers Commission) davon überzeugen konnte, die geplante Übernahme von Macallan durch die kanadische Hiram Walker Ltd. zu verhindern.
Als lebenslanger Präsident des Robertson Trusts wacht Sir Ian Good noch immer über das Schicksal seiner Lieblings-Brennerei. Denn der Robertson Trust bietet einen wunderbaren Schutzschirm gegen alle Zugriffe von außen und einen geschützten Raum nach innen, um die Visionen von Sir Ian auch zukünftig zu verwirklichen.
Visionen für übermorgen
The Macallan gehört heute zu den beliebtesten Whisky-Marken der Welt und belegt hinter Glenfiddich und Glenlivet den dritten Platz in der internationalen Verkaufsstatistik der Single Malts.
Dennoch hat es viele überrascht, als Macallan 2013 den Bau einer neuen Brennerei verkündete. Das mediale Echo war gewaltig, selbst die überregionalen Zeitungen The Times, Financial Times und der Telegraph berichteten über das geplante 100-Millionen-GBP-Projekt. Zufall war dies allerdings nicht: die Marketing-Abteilung von Macallan arbeitet hochprofessionell.
Als Architekten hatte sich die Brennerei das international erfolgreiche, prestigeträchtige Büro Rogers Stirk Harbour + Partners ausgewählt. Denn die Ambitionen von Macallan sind groß.
Bis 2017 soll eine komplett neue Brennerei erstellt werden, die mit Grasdächern versehen, wie kleine Hügel in die Landschaft eingebettet werden wird. Der erste Hügel wird ein neues Besucher-Zentrum aufnehmen, die übrigen Hügel werden drei Brennhäuser mit jeweils 4 Wash Stills und 8 Spirit Stills sowie ein Maische-Haus mit zwei Mash Tuns beherbergen.
Der Stil des Whiskys soll auch in der neuen Brennerei erhalten bleiben. Die Bauarbeiten haben im Dezember vergangenen Jahres bereits begonnen. Nach Fertigstellung wird die Brennerei wahrscheinlich die größte in Schottland sein, mit einer geplanten Kapazität von 16 Millionen Liter Alkohol jährlich.
Das mag zunächst eine unglaubliche Menge erscheinen. Doch der größere Teil des produzierten Whiskys ist nicht für den Verkauf gedacht. Jedenfalls noch nicht. 15 Jahre soll der Whisky aus der neuen Brennerei mindestens lagern.
Denn selbst das beste Marketing kann wenig bewirken, wenn das Produkt nicht stimmt. Alter Whisky ist das größte Kapital, das die Brennerei besitzt. Doch wer alten Whisky haben will, muss weit in die Zukunft planen können -und auch die Geldreserven haben. Wir bezahlen heute für den Whisky von morgen.
Auch Geoff Kirk weiß: "Bei Macallan sind wir davon abhängig, was unsere Vorgänger vor 10 oder 12 Jahren oder noch früher gemacht haben. Da führt kein Weg dran vorbei. Das gleiche gilt für Glenlivet, Laphroaig, Lagavulin und all die anderen Whisky-Ikonen - sie haben alle die gleichen Restriktionen. Es hängt alles davon ab, was diese Firmen vor 15 oder 25 Jahren gemacht haben, und wie sie ihre Fass-Lager im Laufe der Jahre verwaltet haben."
Auf die Entscheidungen in der Vergangenheit hat der Sales and Marketing Director Bill Farrar heute keinen Einfluss mehr. Doch bei der Insider Conference 2010 legt er in einem Fachvortrag die Strategie des Konzerns für die kommende Zukunft dar: die doppelte Menge dessen, was verkauft wird, soll in den Lagerhallen für spätere Jahre zurückgelegt werden. Nur so wird man bei Macallan auch in 30, 50 oder 65 Jahren immer noch genügend alte Fässer übrig haben. Der Cash-Flow, der für eine so gewaltige Rücklage gebraucht wird, ist enorm.
Wenn sein Plan gelingt, wird die Brennerei auf Jahrzehnte hin immer wieder mit alten und uralten Whiskys der besten Güteklasse aufwarten können. The Macallan ist in den vergangenen Jahren viele ungewöhnliche und aufsehenerregende Wege gegangen und hat zum steilen Höhenflug angesetzt. Doch wer hoch fliegt, kann auch tief fallen.
Vielleicht wird The Macallan eines Tages tatsächlich an seiner eigenen Größe zugrunde gehen, wie es von vielen Seiten derzeit düster prophezeit wird. Doch wer weiß, vielleicht ist die Brennerei auch einfach nur ihrer Zeit wieder einmal weit voraus.
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