Whisky und Rum - Teil II

Rum erfreut zunehmend auch die Gaumen von eingefleischten Whiskyfans, und Rumfass-Finish sind längst keine Seltenheit mehr. Und so zahlreich wie die Whisky- und Rum-Destillerien sind, so zahlreich sind auch die Mythen, die beide Getränke umgeben. Eine dieser Mythen ist die Behauptung, dass in Schottland traditionell immer nur Whisky gebrannt wurde.  Doch die Wahrheit sieht ganz anders aus, und hält so manche Überraschung für uns bereit. Mehr als hundert Jahre lang war der Clyde ein Zentrum der Rum-Produktion. Begeben wir uns also auf Spurensuche nach dem schottischen Rum. Teil II.


Handelsschiffe auf dem Clyde


Zucker-Häuser

Mehr als 200 Jahre lang zogen die Inseln in der Karibik tausende von jungen Schotten in ihren Bann, die auf der Suche nach Ruhm, Rum und Arbeit waren. Auch Schottlands bekanntester Dichter, Robert Burns, hätte beinahe eine Stelle auf einer Plantage angenommen. 1786 war Burns nach einer Mißernte wieder einmal in großen finanziellen Nöten. Der Dichter wandte sich an seinen Freund Dr. Patrick Douglas, dessen Bruder eine Plantage auf Jamaica besaß.

Burns wurde die Stelle eines sogenannten "book-keepers" angeboten - was damals eine freundliche Umschreibung für die Tätigkeit als Sklavenaufseher war  - und der Poet unterschrieb einen Dreijahresvertrag. Doch kurz vor seiner Abreise erreichte ihn ein Brief seines Verlegers, der ihm mitteilte, dass alle 612 Exemplare seines Buches "Poems, Chiefly in the Scottish Dialect" innerhalb weniger Wochen ausverkauft waren. Burns war von diesem überraschenden Erfolg überwältigt, und statt nach Jamaica reiste er nach Edinburgh, um eine große Karriere als Schriftsteller zu beginnen. Rum blieb dennoch eines seiner liebsten Getränke, und Burns hat während seiner Arbeitspausen so manches "Gefäss mit Rum aus Antigua" geleert, wie spätere Briefe verraten.

Viel ist über den damaligen transatlantischen Dreieckshandel zwischen der Karibik, Europa und Afrika  geschrieben worden, doch die Rolle Schottlands wird erst seit kurzem näher untersucht. Man schätzt heute dass allein zwischen 1750 und 1800 circa 17.000 junge Schotten in die Karibik auswanderten. Zur Zeit von Robert Burns besaßen Schotten etwa 30% aller Plantagen auf Jamaica, und 1817 gehörten ihnen 32% aller Sklaven. Der hohe Anteil der Schotten am Überseehandel lag nicht zuletzt darin begründet, dass das Land für die damalige Zeit eine extrem hohe Bildungsrate aufwies.

Nicht alle Schotten waren mit dem System der Sklaverei einverstanden. 1792 wurden im Vereinigten Königreich 561 Petitionen zur Abschaffung der Sklaverei an das Parlament eingereicht, und auch hier hatten die Schotten mit etwa einem Drittel der Petitionen einen großen Anteil.

verhängnisvolle Dreiecksbeziehung


Die schottischen Plantagenbesitzer in der Karibik unterhielten enge Handelsbeziehungen mit der Heimat. Regelmäßiger Schiffsverkehr zwischen dem Clyde und den kleinen Antillen ist bereits seit den 1640er Jahren belegt, und mit der Entwicklung der Zuckerrohrplantagen nahm auch der Handel zu. Die Schiffe brachten den kolonialen Siedlern nicht nur technische Geräte und Metallwaren, sondern auch Lebensmittel aus der Heimat. Schottischer Hering wurde schon bald zu einem Grundnahrungsmittel für die Sklaven auf vielen schottischen Plantagen und jede Liefer-Verzögerung führte unweigerlich zu Hungerphasen.

Auf der Rückfahrt nach Glasgow waren die Schiffe dann vollgeladen mit Rohzucker und Rum aus der Kolonie. Auch Teelieferungen aus den Kolonien gewannen zunehmend an Bedeutung, und Tee und Zucker gingen schon bald eine lustvolle Verbindung ein: je mehr Tee getrunken wurde, um so mehr Zucker wurde benötigt. Bereits 1700 wurden in Großbritannien 10.000 Tonnen Zucker jährlich konsumiert. Das entsprach 3 Pfund Zucker pro Einwohner. In keinem anderen europäischen Land war der Zuckerkonsum damals so hoch wie auf der britischen Insel. Und er sollte rapide weiter steigen: 1754 wurden 53,270 Tonnen verbraucht (12 Pfund/Einwohner), 1801 waren es 159.916 Tonnen und 1867 bereits 625.000 Tonnen. Das entsprach 47 Pfund Zucker pro Einwohner!

Zuckermäulchen..., Karrikatur, 1799

Die Plantagen waren ein mächtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Um die einheimische Wirtschaftskraft nicht zu schwächen, wurde der Plantagen-Aristokratie in der Kolonie jedoch eine wirksame Schranke gesetzt: die Weiterverarbeitung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse war ihnen untersagt.

Da Zuckerrohr nach der Ernte  nicht lagerfähig ist und Zuckerrohrsaft innerhalb von 20 Minuten nach dem Pressen weiterverarbeitet werden muss, entwickelte sich in der Zuckerindustrie schon sehr früh eine regionale Diversifikation: auf den Plantagen wurde der Zuckerrohrsaft direkt während der Ernte zu braunem Rohzucker verarbeitet und dann in Holzfässern nach London, Bristol und Glasgow verschifft. Dort wurde der Rohzucker dann in Raffinerien, den sogenannten "Sugarhouses", zu weißem Kristall-Zucker weiter verarbeitet.

Doch Zucker war nicht gleich Zucker, es gab große Qualitätsunterschiede. Wie aus alten Unterlagen des Glasgower Handelshauses Alexander Houstoun & Co. hervorgeht,  war der Rohzucker von St. Kitts sehr begehrt und kostete 1777 bis zu 70 Shilling pro Einheit (cwt). Zucker aus Jamaica brachte im gleichen Jahr immerhin noch bis zu 63 Shilling/cwt, während Zucker aus Grenada schon ab 41 Shilling/cwt zu haben war.


Die süße Seite von Glasgow

Zucker war in Europa schon lange vor der Entdeckung Amerikas bekannt. Sein Ursprung wird in Papua-Neuguinea vermutet, und die arabische Welt kontrollierte lange Zeit den Zuckerhandel mit Europa. Bereits 1319 segelte ein Schiff von Venedig nach London und brachte etwa 100.000 Pfund Zucker in den Themsehafen. Verwendet wurde der Süßmacher damals vor allem in Apotheken.

Erst durch den Zuckerrohranbau in den Übersee-Kolonien sollte sich das Konsumverhalten grundlegend ändern, und von den portugiesischen und holländischen Plantagen in Brasilien aus trat das weiße Gold seinen Siegeszug durch ganz Europa an.

Antwerpen entwickelte sich rasch zum Zentrum der frühen Zuckerindustrie. Schon 1543 gab es hier die ersten Zuckerhäuser, für das Jahr 1556 lassen sich 19 Zuckerraffinerien in Antwerpen nachweisen.  Zu diesem Zeitpunkt war der Zuckerkonsum auf den Britischen Inseln noch eingeschränkt. Es waren vor allem die Adligen und wohlhabenden Bürger Englands, die in den Genuß der feinen Kristalle kamen. Erst nachdem 1623 die Kolonialisierung der Karibikinseln durch die Engländer forciert wurde, fand  Zucker zunehmend Eingang in den Speiseplan der mittleren und unteren Gesellschaftsschichten des Imperiums.

In Glasgow entstand 1667 das erste "Zuckerhaus", das später Wester Sugarhouse hieß und damals an der Ecke von Bell's Wynd und Candleriggs Street stand. Zwei Jahre später folgte in unmittelbarer Nachbarschaft das Eastern Sugarhouse. Das Zuckergeschäft entwickelt sich prächtig: schon bald darauf wurden auch das South Sugarhouse, das King Street Street Sugarhouse und das "Little Sugarhouse in King Street" errichtet.

Und hier treffen wir auch endlich wieder einen alten Bekannten von der Insel St. Kitts: das South Sugarhouse gehört 1736 samt dazu gehöriger Brennerei den Plantagen-Besitzern Colonel William McDowall und Major James Milliken sowie dem Glasgower Händler James Anderson.


East Sugarhouse, Glasgow, 1848. Zwei Jahre später wurde das Gebäude abgerissen.

Ende 1726 erwarb McDowall bereits einen Anteil am South Sugar Haus, das damals Daniel Campbell gehörte. Campbell war ein schottischer Kaufmann der vorherigen Generation und hatte Zucker und Sklaven mit den Leeward-Inseln  und London gehandelt. Zwei Jahre später zog McDowall von St. Kitts nach Glasgow und begann, seine Zuckerfässer nicht mehr nach London, sondern an den Clyde zu schicken. McDowall war jedoch mit der Qualität des Zuckers vom Clyde sehr unzufrieden, und war von Anfang an bestrebt, den Glasgower Zucker qualitätsmäßig auf den Londoner Standard zu bringen.

In den frühen Jahren der Zuckerproduktion am Clyde hatten die Besitzer der Zuckerhäuser Fachkräfte aus Holland und Deutschland zur Zuckerherstellung angeheuert, die damals einen besonders guten Ruf hatten und als die besten Zuckermacher des Kontinents galten. Vor allem die Holländer hatten sich schon früh durch ihre Kolonien zu Experten in der Zucker- und Rumproduktion entwickelt. Doch die Engländer hatten in den folgenden Jahrzehnten gewaltig aufgeholt, und McDowall ließ einen Zuckerkocher aus London kommen. Er wollte die höchste Qualität erreichen, die für die Herstellung der süßen Ware möglich war.

Zuckerhaus


Zusammen mit dem Sohn seines alten Freundes, James Milliken, gründete er die Firma James Milliken & Co. und wurde einer der wichtigsten Zuckerhändler in Schottland. Schon ab 1719 besaßen die beiden mehrere Handelsschiffe, die auf der Hinfahrt auch Sklaven von Afrika nach St. Kitts und Nevis brachten. Auch auf seinem Landsitz in Schottland schätzte McDowall die Dienste seiner Sklaven von St. Kitts. Als seine zweite Frau sich durch die Anwesenheit eines farbigen Kutschers belästigt fühlte, teilte McDowall ihr mit, dass er sich eher von ihr trennen würde als auf seinen treuen Diener zu verzichten. Für seinen damals 10 Jahre alten Sohn ließ er von seiner Plantage eigens einen gleichaltrigen Sklaven als Spielkamerad nach Schottland bringen. Das Verhältnis der Sklavenbesitzer zu ihrem menschlichen Besitz war sehr ambivalent.

1750 fusionierte die Firma unter der Leitung von McDowalls Sohn mit Dunlop, Hounstoun & Co., und ab 1763 dehnte man die  Aktivitäten auch auf andere Inseln aus und handelte mit Jamaica, Grenada, St. Vincent, Tobago, Demerara, St. Croix und Holländisch-Guyana. Nach der Hochzeit von James Millikens Tochter mit dem Glasgower Tabak-Händler und Plantagenbesitzer Alexander Houstoun wurde die Firma unter dem Namen Houstoun & Co. in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem der größten Handelshäuser in Großbritannien, mit eigenen Schiffen, Plantagen, einem Bankhaus und weitreichenden familiären Verbindungen ins Londoner Parlament. Die Macht der schottischen Zuckerbarone in der damaligen Zeit kann man heute nur noch erahnen.


Zucker-Destillen

Verweilen wir noch einen Moment in McDowalls Zuckerhaus. Eine zeitgenössische Quelle von 1736 gibt uns eine detaillierte Beschreibung : "cellars, store-houses, and boiling-houses, with distillery appartments, pleasant gardens, and all conveniences, whatsomever." Auch das King Street Sugarhouse wird näher beschrieben, zu ihm gehörten ebenfalls ein langer Hof,  Keller, Lagerhallen und eine Destillerie.  (McUre, 1736)

Was den Zuckerbaronen in der Karibik recht war, war den Zuckerhäusern in Glasgow billig: ähnlich wie bei der Produktion von Rohzucker entstanden auch bei der Herstellung von weißem Feinzucker die "Scummings" und Sirup als Nebenprodukte (siehe Teil 1). Als Scummings wurde ein dicker Schaum bezeichnet, der beim Aufkochen des Rohzuckers entstand. Hierbei wurde zur Reinigung des Zuckers Kalk und Ochsenblut oder Milch hinzugefügt. Der Schaum wurde anschließend abgeschöpft und in Zisternen gesammelt. Im letzten Arbeitsprozess mussten die fertigen Zuckerleibe austrocknen, wobei ein heller Sirup austrat, der ebenfalls aufgefangen und gesammelt wurde und zusammen mit den Scummings die Grundlage für die Rumproduktion bildete. Die Zuckerköche in Glasgow ließen sich das zusätzliche Geschäft mit der Destillation nicht nehmen.


Zuckerraffinerie. Der Roh-Zucker wird in Holzfässern angeliefert und in Siedebottiche geschaufelt

Die Entwicklung der Zuckerindustrie hatte gravierende Auswirkungen auf die Entwicklung der Alkoholindustrie. Zwar finden sich Hinweise darauf, dass bereits 1494 die Destillierkunst in Schottland bekannt war, doch Getreide war in jener Zeit immer wieder knapp, und diente in erster Linie dazu, um den Hunger der Menschen zu stillen. Erst die rasant wachsende Verfügbarkeit von Zucker machte es ab 1650 möglich, dass Alkoholdestillation in größerem Ausmaß möglich wurde. Große Brennanlagen wurden zunehmend rentabler, und sinkende Preise führten zu einem steigenden Konsum. Spirituosen wurden schon bald ein Massenprodukt.

Die Quellenlage aus jener Zeit ist nicht besonders üppig, doch schon vor 1660 besaßen die Bürger von Glasgow das Recht, Rohzucker und Melasse aus den englischen Kolonien steuerfrei einzuführen und sowohl Rohzucker als auch raffinierten Zucker innerhalb von Schottland zu verkaufen. Daraus leiteten sie auch das Recht ab, Alkohol steuerfrei aus ihrem Sirup bzw. aus Melasse zu brennen. Sie scheuten auch nicht davor zurück, ihren Rum mit den feinsten Brandys aus Spanien und Frankreich zu vergleichen. Ein großer Teil des schottischen Rums wurde damals nach England exportiert.

Wir kennen dank der königlichen Steuerverwaltung sogar die Mengen, die Schottland produzierte: Zwischen 1707 (dem Jahr der Vereinigung von Schottland und England) und 1715 wurden in den Zuckerhäusern in Glasgow nachweislich eine halbe Million Gallonen Rum hergestellt! Auch die englischen Zuckerhäuser produzierten Rum mit großem Eifer: zwischen 1690 und 1770 hatten teilweise bis 20% der in England hergestellten Spirituosen Zucker oder Sirup als Ausgangsmaterial.

Der steuerfreie Rum verkaufte sich bestens, doch den englischen König  brachte diese Menge auf ganz eigene Gedanken. 1715 versuchte er, das Recht der Brennereien auf Steuerfreiheit aufzuheben und verlangte 40.000 Pfund als Ersatz für entgangene Steuern seit 1707. Diese ungeheuerlich hohe Summe konnten die Händler unmöglich aufbringen, und man einigte sich letztendlich auf einen Kompromiss: ab dem 25. März 1722 mussten auch die Glasgower Zuckerbäcker die gleichen Steuern zahlen wie ihre Kollegen in London oder Bristol.


Verschiffung von kolonialen Waren aus der Karibik

Whisky an' Rum gang thegither...

Nicht nur Whisky und Freiheit gehörten zusammen, wie Robert Burns poetisch in seinem berühmten Gedicht philosophierte. Whisky und Rum waren ebenfalls ein treffliches Gespann.

Die frühen Zucker-Destillen brannten nicht nur Rum. Auch Whisky lief aus ihren Brennblasen. Die Zuckerlieferungen waren saison-bedingt und hingen von der Erntezeit des Zuckerrohrs ab, die zumeist in der ersten Hälfte des Jahres stattfand. Ab August standen die Brennblasen in den Zuckerhäusern still. Schon 1679 beantragten die Glasgower Zuckerhäuser deshalb, außerhalb der Zuckersaison auch Gerstenmalz steuerfrei destillieren zu dürfen.

Die frühen Whisky-Brennereien kannten ein ähnliches Problem: immer wieder kam es vor, dass sie wegen Getreidemangel nicht brennen durften - zu ihrem eigenen Schutz.  Als 1784 während einer Hungersnot das Gerücht kursierte, dass in der Canonmills Distillery die Getreidespeicher prall gefüllt seien, stürmte ein empörter Mob die Brennerei. Nur mit Mühe und unter Einsatz von Armeekräften gelang es dem Besitzer, die Menschenmenge von seiner Brennerei fernzuhalten.

Auch 1795 und 1800 wurde in Schottland das Brennen von Spirituosen aus Gerstenmalz und Getreide verboten. 1808 wurde erneut ein Brennverbot für Spirituosen aus Getreide verhängt und mehrmals verlängert. Um die Branche nicht in den Ruin zu treiben, erteilte die Regierung als Ersatz Lizenzen zum Zuckerbrennen. Und mittunter stellte diese Lizenz die Getreidebrenner vor unerwartete Probleme.

1810 hatte Matthew Brown, Besitzer der Saucel Distillery in Paisley, am Jahresende ein gravierendes Problem: die Zuckerlizenz, die seit 1808 galt, endete offiziell am 31. Dezember. Doch in den Wash-Backs befand sich an diesem Tag noch Zuckermaische, die ordentlich versteuert war, aber erst nach dem Jahreswechsel gebrannt werden konnte. Matthew Brown reichte eine Petition ein, um seinen Rum noch fertig brennen zu dürfen. Auch John Stein (Kennetpans), John Philps (Dolls Distillery), Daniel Macfarlane, John Buchanan, Robert Menzies, William Glen, John Bald und andere Lowland Brenner waren davon betroffen. Sie alle hatten Maische aus Zucker oder Melasse in ihren Brennerei angesetzt. Wenige Tage später erwiesen sich die Sorgen der Zucker-Brenner als unbegründet, die Regierung verlängert das Brennverbot für Getreide um ein weiteres Jahr. Es sollte bis 1814 dauern, ehe die schottischen Destillateure wieder Gerste benutzen durften.

Matthew Brown und Daniel MacFarlane zogen schließlich die Konsequenzen aus dem immer wieder verlängerten Brennverbot für schottische Gerste. Zwar war es ihnen möglich, über einen neu gebauten Kanal Zucker und Melasse von den Glasgower Zucker-Häusern nach Paisley zu ihren Brennereien zu transportieren, doch die dabei entstandenen Transportkosten verteuerten ihren Alkohol unnötig.

1811 baute Daniel McFarlane zusammen mit Sohn Robert eine neue Brennerei in Port Dundas, das nördich von Glasgow am Forth-and Clyde-Kanal liegt. Port Dundas konnte von den Zuckerschiffen ohne Probleme beliefert werden. Die Port Dundas Brennerei, die unter der Leitung von Roberts Frau Marion eine der größten Grain-Brennereien Schottlands werden sollte, hat ihre Kindertage als Zucker-Destille begonnen.

Zwei Jahre später folgte Matthew Brown zusammen mit seinem Geschäftspartner John Gourlay dem Beispiel von McFarlane und ihre Firma Brown, Gourlay & Co. zog ebenfalls nach Port Dundas. Dort errichteten sie eine neue Brennerei: Gourlay's oder auch Cowlairs Distillery. Auch sie haben vermutlich bis 1814 Zucker oder Sirup gebrannt. 
 

Bis Ende des 18. Jahrhunderts blieb der Einsatz von Zucker und Sirup in den Brennereien der schottischen Lowlands weit verbreitet.  Alte Parlamentsunterlagen zur Zuckerdestillation verraten so manches Geheimnis der damaligen Zeit:  Gin, der für den englischen Markt produziert wurde, enthielt normalerweise einen hohen Anteil Roggen. Zur Not ließ sich Gin jedoch auch auf der Basis von Zucker und Sirup herstellen.

Meist wurde Zucker und Sirup jedoch zu schottischem Brandy verarbeitet, der vor allem während der Kontinentalsperre 1806-13 französischen Brandy ersetzte und auch später als preiswerte Alternative seine Abnehmer fand. Den Namen "Rum" benutzten die schottischen Zucker-Destillateure nicht so gerne. "Rum" war damals das Getränk der unteren Schichten, wer es sich leisten konnte, trank lieber "Brandy".

Heute bringen wir die schottischen Brennereien nur noch mit Whisky in Verbindung. Doch mehr als 150 Jahre lang hatte schottischer "Brandy", der aus Zucker oder Sirup gebrannt wurde, seinen festen Platz in den Getränkeregalen der schottischen Spirituosenhändler.

Schottischer Rum war keineswegs nur eine marginale Randerscheinung der Geschichte. Die schottischen Rum-Produzenten sowohl in den Kolonien als auch zu hause in der Heimat befanden sich mehr als 300 Jahre lang im Zentrum des Geschehens.

Dass später Whisky zur vorherrschenden Spirituose in Schottland werden konnte und nicht der sogenannte "Brandy" auf Zuckerrohrbasis,  haben wir der  landwirtschaftlichen Revolution zu verdanken, die ab 1860 die Getreideversorgung deutlich verbesserte. Erst eine ausreichende Überproduktion an Getreide machte es möglich, dass Whisky zu einem weltweiten Konsumgut werden konnte.
Glasgow 1864

  wichtige Quellen:

- Transactions from the Glasgow Archeological Society, Vol. I, 1887
- Jonathan Israel, Dutch Primacy in the World Trade 1585-1740, Oxford 1989
- T. C. Smout, The early Scottish Sugar Houses, 1660-1720, The Economic History Review 1961
- Nisbet, Glasgow Panters in the Leeward Islands, 2013
- MCCusker/Morgan, The early modern Atlantic Economy, Cambridge, 2000
- McCuskwe, The business of distilling in the Old World and the New World
- Report from the Sugar Distillery Committee, 1806
- Journals of the House of Commons, 1811
- Resolutions sugar distillation, 1808

Kommentare