Jäger des verlorenen Schatzes: Gespräch mit Gregor Haslinger über seine Jagd nach den Lost Distilleries in Schottland
MM: Gregor, du bist ja inzwischen
ein Spezialist auf dem Gebiet der "Lost Distilleries". Wie lange
beschäftigst du dich schon mit diesem Thema?
Gregor: Der Begriff der „Lost
Distilleries“ gefällt mir nicht so gut, denn wie oft erleben wir
gerade dieser Tage, daß verlorene Brennereien wieder belebt werden,
also gar nicht „verloren“ waren, bzw. sind. Deswegen verwende ich gerne
den Begriff der „Ghost Distilleries“, zumal man häufig den Spirit einer
Brennerei noch recht lebhaft vorfindet oder nachvollziehen kann. Die
Geister vergangener Zeiten verstehen es oftmals, spannende
Geschichten Ihrer Brennereien zu erzählen…
Mein erster gezielter Besuch einer Ghost Distillery war 2001 auf Islay. Damals
hatte mich der Port Ellen Whisky sehr fasziniert und ich hatte die
Gelegenheit, die Brennerei zu einem der letztmöglichen Zeitpunkte zu besuchen,
bevor sie maßgeblich durch Abriß zerstört wurde.
2004 war es dann ein Besuch in Campbeltown, der in mir die Idee
manifestierte, mehr über Ghost Distilleries erfahren und lernen zu
wollen.
Ich war perplex, mit welcher Gleichgültigkeit die Schotten in einer der wichtigsten Städte der Whisky-Produktion mit ihrer Kulturgeschichte umgehen, bzw. diese mißachten, Gebäude verfallen lassen und sogar mit Absicht zerstören, um stattdessen anonyme, häßliche Zweck- oder Wohnbauten zu errichten.
Ab diesem Zeitpunkt begann für mich der Wettlauf gegen die Zeit bzw. gegen die Bulldozer, diese Orte zu besuchen, zu dokumentieren und zu fotografieren. Leider habe ich den Wettlauf schon all zu oft verloren!
MM: Wieviele Ghost Distilleries hast du schon besucht bzw. lokalisieren können?
Gregor: Auch hier muß zunächst wieder eine Definitionsfrage geklärt werden- was genau ist eigentlich eine Brennerei? Als bestes Hilfsmittel für meine Nachforschungen diente mir das Buch von David Hume und Michael Moss: „The Making Of Scotch Whisky“. Ihrer Idee bin ich gefolgt, jene Brennereien zu be- und untersuchen, die legal und offiziell zumindest zeitweise gearbeitet haben. Würde man alle illegalen Produktionsstätten hinzu ziehen, wäre es ein unermeßliches Feld, so gut wie in jedem Bauernhof wurde vor der Legalisierung und der Erhebung von Steuern für Gebranntes Alkohol destilliert!
Unter diese Definition fallen laut meiner Datenbank etwa 700 Orte. Heute aktive Brennereien, die z.T. auch eine gewisse Zeit "silent" waren, zähle ich nicht mit. Bei diesen etwa 700 Ghost Distilleries unterscheide ich solche, bei denen noch irgendwelche baulichen Anzeichen ihrer Existenz vorhanden sind, etwa 470 Stück und jene, die mittlerweile völlig verschwunden sind. etwa 200. Laut meiner Datenbank war ich bei ca. 400 Ghost Distilleries zu Besuch, zum Teil mehrmals. Knapp 100 fehlen mir noch, von denen noch etwas zu sehen ist…
Übrigens habe ich eine private Sammlung von über 120 Flaschen aufgebaut, die den Namen von Ghost Distilleries tragen, die zum Teil auch sogar noch den originalen Inhalt oder in geblendeter Form teilweise enthalten.
MM: Warum machst du das? Was treibt dich an?
Gregor: Eine ganz banale Antwort wäre: Weil es sonst niemand macht! Aber das wäre zu kurz gefaßt: Zunächst keimte bei mir, nachdem ich mich zu einem Whisky-Händler entwickelt hatte, so etwas wie Berufsehre auf. Da ich mich mit dem Thema schottischer Brennereien beschäftige und darüber Vorträge hielt, wollte ich alle aktiven Brennerien irgendwann einmal besucht haben, damit ich aus erster Hand berichten könnte.
Die mittlerweile gut 140 Brennereien waren eines Tages abgeklappert und das gesetzte Ziel schien erreicht. Parallel dazu stieß ich aber immer wieder auf die bekannten Ghost Distilleries, wie z.B. Brora, Dallas Dhu, Millburn, Parkmore usw. Also begann ich auch diese zu „sammeln“. Bis sich das Thema irgendwann verselbstständigte und ich mich darauf zu konzentrieren begann. Die Bücher von Brian Townsend und Isako Udo halfen mir dabei anfangs.
Mein
erster ernsthafter Jagdausflug auf Ghost Distilleries fand 2012 in der
Speyside Region statt und erbrachte eine Ausbeute von gut 70 Ghost
Distilleries in 2 Wochen.
Dieses Abenteuer bereitete mir viel Vergnügen, Faszination und Begeisterung, so daß mein Entdecker-Geist geweckt war. Tatsächlich kommen bei manchen Stätten regelrechte Indiana-Jones Gefühle auf, wenn man sich an Orten wieder findet, an denen ganz offensichtlich seit vielen Jahren niemand mehr vorbei geschaut hat. Seit dieser Zeit vergeht keine Schottland Reise mehr, ohne Besuche von Ghost Distilleries.
Dieses Abenteuer bereitete mir viel Vergnügen, Faszination und Begeisterung, so daß mein Entdecker-Geist geweckt war. Tatsächlich kommen bei manchen Stätten regelrechte Indiana-Jones Gefühle auf, wenn man sich an Orten wieder findet, an denen ganz offensichtlich seit vielen Jahren niemand mehr vorbei geschaut hat. Seit dieser Zeit vergeht keine Schottland Reise mehr, ohne Besuche von Ghost Distilleries.
MM: Welche Schwierigkeiten stellen sich dir bei deiner Suche immer wieder in den Weg?
Gregor: Bei recht vielen Ghost Distilleries ist erst einmal die Lokalisierung ein schwieriges Unterfangen. Alte Landkarten und besagte Bücher, aber auch das Werk von Rüdiger Hirst vom Alba-Verlag mit seinen Whisky-Landkarten, können weiter helfen, sind aber auch oft fehlerhaft oder beinhalten gar falsche Informationen. Die treffendsten Informationen erhielt ich bislang, indem ich mich mit unserem Freund Jens Fahr austauschte!
Vor Ort, am Ziel der Suche können An- oder Bewohner der Ghost Distilleries je nachdem Segen oder auch Fluch sein: Wird man bei seinem Besuch erst einmal entdeckt, entspannen sich meist schnell freundliche Gespräche, so wie die Schotten eben meistens sind! Entweder ist den Einheimischen sehr wohl bewußt, auf welchem Grund sie sich befinden, dann zeigen sie meist bereitwillig Details der ehemaligen Anlage oder alte Bilder etc.
Oder
aber man trifft auf Leute, die noch nie von „ihrer“ Destille gehört
haben.
Für diese Fälle halte ich immer das Buch „The Making Of Scotch Whisky“ parat, um die entsprechende beweisführende Textstelle zu präsentieren. Meist kann man dann ungehindert weiter „arbeiten“. Uneffizient wird es, wenn die liebenswerten Anwohner einen mit Überzeugung von nicht zutreffenden Fakten einzulullen versuchen. Schnell gerät man dann in einen Smalltalk, aus dem man so leicht nicht mehr heraus kommt und womöglich unverrichteter Dinge abziehen muß. Nur ganz selten stieß ich bislang auf Ablehnung der Anwohner, die nicht duldeten, daß ich von ihrem Grund oder Gebäuden Aufnahmen erstellte.
Für diese Fälle halte ich immer das Buch „The Making Of Scotch Whisky“ parat, um die entsprechende beweisführende Textstelle zu präsentieren. Meist kann man dann ungehindert weiter „arbeiten“. Uneffizient wird es, wenn die liebenswerten Anwohner einen mit Überzeugung von nicht zutreffenden Fakten einzulullen versuchen. Schnell gerät man dann in einen Smalltalk, aus dem man so leicht nicht mehr heraus kommt und womöglich unverrichteter Dinge abziehen muß. Nur ganz selten stieß ich bislang auf Ablehnung der Anwohner, die nicht duldeten, daß ich von ihrem Grund oder Gebäuden Aufnahmen erstellte.
Der ärgste Feind unserer Arbeit ist aber die Zeit, da in Schottland so gut wie keine Hochachtung für die kulturhistorisch so wichtigen Orte vorhanden ist und meist Pragmatismus und Einsturzgefahr zu unumkehrbaren Lösungen führen.
MM: Gregor, ich wünsche Dir ganz viel Erfolg bei den noch fehlenden 100 Ghost Distilleries, und danke dir sehr für dieses Interview.
Gregor Haslinger findet ihr meistens in seinem Laden in Frankfurt:
Whisky Spirits
Wallstrasse 23
60594 Frankfurt (Sachsenhausen)
Und hier der Link: Whisky Spirits, Frankfurt
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