Im vergangenen Jahr lagen etwa 20 Millionen Whiskyfässer in schottischen Lagerhallen, und sie alle warten nur darauf, abgefüllt zu werden und milliardenfach die Whiskyregale zu füllen. Und manchmal fühle ich mich von der ständig steigenden Flut dieses Angebots schier überfordert.
Doch es gibt immer wieder Abfüllungen, die aus diesem Meer von Flaschen herausragen. Manchmal, weil der Whisky darin besonders gut schmeckt. Manchmal, weil sie eine ganz besondere Geschichte haben. Und manchmal auch beides.
Die Abfüllungen, die ich euch in loser Folge in den nächsten Wochen vorstellen möchte, gehören zu letztgenannter Kategorie. Sie ragen aus der Masse heraus, weil ihr Inhalt die Geschichte eines ganzen Jahrhunderts erzählt. Sie erzählen die Geschichte einer schottischen Whisky-Institution, die über einhundert Jahre lang die Whisky-Welt prägte und bis heute fortwirkt, auch wenn es sie längst nicht mehr gibt.
Sie erzählten die Geschichte von einer der ganz großen, bedeutsamen Firmen der Branche, von ihrem Glanz, ihrer Glorie und ihrem Untergang. Es ist die Geschichte von Macdonald & Muir.
MacDonald & Muir
Als Roderik Macdonald 1893 zusammen mit Alexander Muir seine Firma gründete, hatte er bereits einige Erfahrung im Whisky-Business gesammelt. Jetzt wollte er seinen eigenen Blended Scotch auf den Markt bringen: Highland Queen. Heute interessieren wir uns vor allem für den schottischen Single Malt, doch damals waren die Blended Whiskys das Herzstück der Industrie, die wie eine Pumpe das System antrieb und zusammenhielt.
Es war eine goldene Zeit, und für Roderik und Alexander liefen die Geschäfte gut. So gut, dass die Firma auch die Wirren des Ersten Weltkrieges überstand. 1918 entschloss man sich bei Macdonald & Muir, zu investieren und die Highland-Brennerei Glenmorangie zu erwerben. Zwei Jahre später kaufte man auch die Speyside-Brennerei Glen Moray dazu. Macdonald & Muir agierte ab jetzt nicht nur als Bottler und Blender, sondern zusätzlich auch noch als Brennerei-Besitzer.
Die Malts aus den eigenen Brennereien sollten in den folgenden Jahrzehnten immer den Grundstock legen für die Blended Whiskys der Firma. Doch zwei Malts reichten nicht aus, man brauchte auch Fässer aus anderen Brennereien. Die erhielt man zumeist über Mittelsmänner, sogenannte Broker. Es wurde gekauft oder getauscht, und es entwickelten sich enge Geschäftskontakte. Im Laufe der Jahrzehnte entstand ein engmaschiges Netz aus Blender, Bottler, Broker und Brennereien, in der man sich bestens kannte und eine Hand die andere wusch.
Bailie Nicol Jarvie
Der Besitz von zwei Brennereien erlaubte Macdonald & Muir, ihre Kapazitäten deutlich auszuweiten, und bereits 1921 erwarb man die Glasgower Firma Nicol Anderson und deren Blended Whisky Bailie Nicol Jarvie. MacDonald and Muir war jetzt am Markt gut aufgestellt und schaffte es, alle wirtschaftlichen Höhen und Tiefen der folgenden Jahrzehnte zu überstehen: Weltwirtschaftskrise, Prohibition, zweiter Weltkrieg und die Whisky-Krise der späten 70er und 80er Jahre.
Bailie Nicol Jarvie war zwischenzeitlich vom Markt verschwunden, doch als in den 90er Jahren die Geschäfte wieder Fahrt aufnahmen, wurde die Marke von David MacDonald, dem Urenkel des Firmengründers, wiederbelebt. Highland Queen war der bekanntere, aber BNJ der qualitativ bessere Blend. Die Mischung bestand zu über 60 % aus Maltwhisky, und neben Glenmorangie und Glen Moray enthielt er auch Malts von Mortlach, Linkwood, Benrinnes und Mannochmore. Auf das Alter des Blends wurde stolz auf dem Etikett hingewiesen: 8 Jahre war das Minimum.
Als David Macdonald 2004 seine Firma für 300 Millionen Pfund an den französischen Konzern LVHM verkaufte, ging nicht nur eine Ära zu Ende, es bedeutete auch das Ende von BNJ. Der Blend passte nicht zum elitären Marken-Portfolio des neuen Besitzers. Er wurde zunächst stillschweigend eingestellt, 2014 wurde offiziell sein Ende verkündet und die alten Fass-Vorräte mit Whisky von Mortlach, Linkwood, Benrinnes und Mannochmore, die man über viele Jahre aufgebaut und gepflegt hatte, und die viele verschiedene Altersstufen umfassten, wurden klammheimlich verkauft.
Tasting Notes
Aroma: süße und saftige Obstaromen, Apfel, Banane und Zitrusfrüchte, dazu Malz und im Hintergrund ein Hauch Vanille und Puderzucker. Nach einer Weile auch grasige und wachsige Noten, die dem Whisky mehr Tiefgang verleihen.
Geschmack: unglaublich mild, weich und saft, leicht grasig, mit einem überraschend vollen Mundgefühl. Wer Blended Whiskys für unwürdig hält, kennt Bailie Nicol Jarvie nicht.
Nachklang: mittellang, grasig
MargareteMarie meint:
Bailie Nicol Jarvie war für seine Qualität berühmt und stellt so manche schmalbrüstige Malt-Abfüllung der Gegenwart problemlos in den Schatten. Gemessen an heutigen Standards war dieser Blended Malt nicht nur von exzellenter Qualität, sondern zudem auch extrem preiswert. Für mich symbolisiert er wie kaum ein anderer Whisky die guten, alten Zeiten. Wer in kennt, weint ihm nach.
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