The Macallan. Whisky zwischen Kunst, Kultur und Kommerz. Teil III



Teure Flaschen. Schicke Labels. Hippe Events. Wenn The Macallan eine neue Abfüllung auf den Markt bringt, rauscht und raunt es gewaltig in der Whisky-Szene. Und überschwängliche Begeisterung prallt auf bösen Spott und harte Kritik.

Keine andere Brennerei hat so radikal die Wandlung zur Luxus-Marke vollzogen wie The Macallan. 

Der Blick auf den Kern des Unternehmens bleibt jedoch für die meisten verborgen. Denn die Entscheidungsträger agieren meist fernab vom Rampenlicht.





Männer mit Macht


Als Robertson & Baxter 1981 eine Stelle für einen "young chartered accountant" ausschrieb, bewarb sich auch der 26jährige Finanzwirt Richard Hunter. An den Inhalt der Annonce kann sich Hunter auch 33 Jahre später  in einem Interview mit dem Herald Scotland noch gut erinnern. Geboten wurde eine "langfristige Karriere mit Aufstiegs-Möglichkeit in das Top-Management, und nicht geeignet für jemand, der lediglich Erfahrungen sammeln möchte."

Hunter war damals 26 Jahre alt, frisch verlobt und bereit, sich auf langfristige Verhältnisse einzulassen. Er bekam die Stelle und blieb die nächsten 33 Jahre sowohl bei der Firma als auch bei seiner Frau Christine.

Im Laufe der folgenden Jahre wurde Hunter enger Weggefährte von Sir Ian Good, der bereits 1969 zu Robertson und Baxter gekommen war und heute als Präsident auf Lebenszeit an der Spitze des Robertson Trusts steht.

John James Griffin Good, wie Sir Ian mit bürgerlichem Namen heißt, hat die Robertson-Schwestern noch gut gekannt. 1989, nach dem Tod der letzten Schwester, wurde Good als CEO die neue Gallionsfigur von Edrington und hat die weitere Entwicklung der Firma maßgeblich gesteuert und beeinflusst.

Als Hunter 1994 zum Group Finance Director von Edrington aufsteigt, gehört er zum engen Kreis der Vertrauten von  Sir Ian, die gemeinsam die spektakuläre Übernahme von Highland Distillers durch Edrington planen und vorbereiten. Hunter muss das Finanzierungs-Modell dazu entwickeln - und investiert so manche schlaflose Nacht in dieses Großprojekt.

Im gleichen Jahr wie Hunter kam auch Barrie Jackson zu Edrington. Als Group Strategy Director und Vorstandsmitglied war er ab 1994 maßgeblich an der gewaltigen Umstrukturierung von Edrington beteiligt und hat schon früh einen Schwerpunkt auf die asiatischen Märkte gelegt.

Komplettiert wurde das Kleeblatt von  Ian Curle. Genau wie Sir Ian ist auch Curle seit Jahrzehnten mit Edrington verbunden. Curle kam 1986 zu Robertson & Baxter  und war ab 1997 Group Operations Director von Edrington.
 

2004 kam es zum Bruch zwischen den langjährigen Weggefährten: Als Sir Ian den obersten Chef-Sessel bei Edrington übernahm, entwickelte sich ein offener Machtkampf zwischen Curle, Hunter und Jackson um die frei gewordene Stelle als Edringtons wichtigster CEO. Ian Curle gewann das Rennen,  Jackson verließ bald darauf die Firma und wechselte zu InterBev (Inver House), für die er bis 2009 als CEO tätig war.

Profitiert hat von diesem Wechsel Richard William (Bill) Farrar, der die Nachfolge von Jackson antrat. Farrar kam erst 1989 zu Edrington. 2003 wurde er Group Sales & Marketing Director und Vorstandsmitglied. Seither ist Farrar die treibende Kraft bei der Entwicklung der Marken Famous Grouse, Macallan und seit kurzem auch Highland Park. Farrar gilt heute als einer der besten Marketing-Strategen in Schottland, und wurde bereits mehrmals für seine Arbeit ausgezeichnet.

1998 wurde zur Unterstützung von Farrar der Marketing-Spezialist Ken Grier mit ins Boot geholt, der  zuvor für United Biscuits und Lego gearbeitet hatte. Als eine seiner ersten Maßnahmen hat Grier Image und Verpackung der "Famous Gourse" modernisiert.

Gemeinsam bestimmt diese kleine Gruppen von Männern, die Sir Ian  um sich geschart hat, seit Jahren die Geschicke der Brennerei.


Wie man Luxus verkauft


Die Aufgabe der eingeschworenen, kleinen Führungs-Riege war und ist gewaltig. Mit der Übernahme von Highland Distillers 1999 hatte Edrington einen Schuldenberg von über 500 Millionen GBP angehäuft. In der folgenden Dekade ging es vor allem darum, die Firma auf gesunde wirtschaftliche Füße zu stellen.

2002 wird zur Unterstützung der Marke "Famous Grouse" für 2,5 Millionen GBP die "Famous Grouse Experience" in der Brennerei Glenturret eingerichtet. Mehr als 100.000 Besucher kommen seither jährlich nach Glenturret, deren Malt Whisky wichtiger Bestandteil im "Famous Grouse"-Blend  ist. 2007 kommt die rauchige "Black Grouse" auf den Markt, 2008 der Grain-Whisky "Snow Grouse" und 2009 die Deluxe-Version "Naked Grouse".

Einer, der von diesen erfolgreichen Expansionsbestrebungen der Famous Grouse profitieren konnte und auch einen Anteil daran hat, ist der Deutsche Mark Armin Giesler, der sich 2007 einen Traum erfüllte und eine zweite Karriere in der Brennerei Glenturret begann. Doch die Geschichte von Mark erzähle ich ein andermal.

Im Laufe der Zeit verändert sich der Marketing-Schwerpunkt bei Edrington, The Macallan gerät immer stärker in den Mittelpunkt der Aktivitäten von Farrar und Grier.

Als Curle 2004 in die Position des CEO aufrückt, beginnt eine neue Phase in der Entwicklung der Brennerei. Um die Umsätze weiterhin zu steigern, wird zunächst die Produktion erhöht und die etwas preiswertere Fine-Oak-Serie eingeführt. Gleichzeitig forciert Curle mit Firmen-Kooperationen und teuren Sonder-Abfüllungen aus alten Sherry-Fässern den Umbau von The Macallan zur Edel- und schließlich zur Luxus-Marke, die mittlerweile in allen teuren Bars der Welt zu Hause ist.


Oh schöne neue Welt!


Die wohl schönsten Flaschen entstanden dabei in Zusammenarbeit mit dem französischen Glashersteller Lalique. Um den luxuriösen Wert von alten Macallan-Whiskys zu unterstreichen, erschien von 2005 bis 2013 unter der Bezeichnung "The Macallan in Lalique" eine Serie von mehreren stark limitierten Sonderabfüllungen aus mundgeblasenem Kristallglas.

Den Anfang machte 2005 ein 50jähriger Macallan, 2007 folgte ein Macallan 55. Von den 420 Flaschen war eine auch in Deutschland erhältlich: im KaDeWe in Berlin, zum Ausgabepreis von 8.500 Euro. Nur wenige Monate später lag der Auktionspreis schon bei knapp 20.000 Euro.

Es folgten weitere Sonderausgaben, Macallan 57, Macallan 60, Macallan 62.  Das besondere dabei: die Flaschen wurden in Form und Aussehen einem Parfum-Flacon nachempfunden. Die Botschaft ist eindeutig: sehr edel, sehr kostbar, höchste Handwerkskunst  und ein einzigartiger Duft.

2010 erscheint in Zusammenarbeit mit Lalique die bis dahin teuerste Flasche Whisky der Welt. Angefertigt als Einzelstück im Cire-Perdue-Verfahren, enthält der Kristall-Dekanter einen 64 Jahre alten Whisky von Macallan.

Anfang 2014 erzielt eine Flasche von Macallan abermals einen Rekordpreis: für 393.000 Britische Pfund wird bei Sotherby's in Honkong ein sechs-Liter-Dekanter versteigert. Die "Imperial M", wie die Flasche heißt, wurde ebenfalls von Lalique produziert, wiegt leer fast 25 Pfund und enthält Macallan Whiskys von den 1940er bis 1990er Jahren. Nur vier solche Dekanter existieren weltweit.

Die Maßnahmen von Curle und Farrar erwiesen sich  als äußerst erfolgreich, die Nachfrage stieg innerhalb weniger Jahre drastisch an. Das wirkte sich auch auf die Brennerei aus: 2009  gelangten die 21 Brennblasen bei Macallan an die Grenze ihrer Produktionskapazität, das alte Brennhaus mit weiteren 6 Brennblasen musste wieder aktiviert werden.

In nur einer Dekade war es der Führungsspitze von Edrington gelungen, die Verkaufszahlen bei Macallan von 900.000  Litern im Jahr 2000 auf über 4,5 Millionen Liter im Jahr 2009 zu steigern. Etwa ein Viertel davon entfielen alleine auf die 2004 eingeführte Fine-Oak-Serie. 2014 lag die Zahl bereits bei  über 6 Millionen, mit einem Vorsteuer-Gewinn von 174 Millionen GBP.



Doch während die meisten Fans in Deutschland mit der neuen Richtung bei Macallan hadern, konnten in anderen Teilen der Welt viele Neukunden gewonnen werden. Wichtige Märkte waren dabei die USA und Asien sowie Russland, Osteuropa, Nahost und das südliche Afrika. Vor allem Asien ist Griers liebstes Betätigungsfeld, denn hier wird mittlerweile die Hälfte der gesamten Produktion von Macallan konsumiert. Und noch immer ist kein Ende des Booms in Sicht.



Vermächnis für die Ewigkeit



Die Erkenntnis ist bitter: Wir Durchschnitts-Bürger  werden diese uralten Whiskys niemals probieren können, geschweige denn eine Flasche davon trinken. Doch darum geht es auch gar nicht. Macallan hat längst die niederen Sphären eines reinen Konsum-Produktes hinter sich gelassen.

Bei Macallan will man mehr. Die Dekanter sollen Zeit, Geld und Raum außer Kraft setzen und der Nachwelt verkünden von schottischer Kultur und schottischer Einmaligkeit. Nirgendwo sonst versteht man es, so viel Geschichte, so viel Kultur, soviel Stolz und soviel Handwerkskunst in eine einzige Flasche zu füllen. Die Dekanter sind Schottlands Whisky-Vermächnis für zukünftige Generationen. Es sind Flaschen für die Ewigkeit.

Vielleicht tut man sich in Deutschland gerade deshalb so schwer mit diesen überdimensionalen Edel-Flacons. Mit Geschichte und Stolz haben wir so unsere ganz eigenen Erfahrungen gemacht.

Vor allem aber sollen diese Flaschen den Ruf von Macallan als schottische Whisky-Ikone der Luxus-Klasse zementieren. Und noch etwas wird klar: der Rolls Royce unter den Whiskys wird zukünftig nicht mehr zum Preis für einen Volkswagen zu haben sein. Der Umbau zur Edel-Marke ist in vollem Gange.

Als Sir Ian 1969 bei Edrington als Buchhalter anfing,  hätte er sich wohl nicht träumen lassen, dass er eines Tages einer der mächtigsten schottischen Brennereien vorstehen würde. Auch wenn seither einige Jahre vergangen sind - Sir Ian ist nicht müde geworden. Sein Arm ist immer noch sehr lang. Und er hat noch immer große Träume. Vor allem, wenn es um The Macallan geht.

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